Selbstverständnis als Learning Professional

Angeregt durch mehrere Sessions und das Video auf der leider abgesagten Session von Herwig Kummer, Dagny Schreiner und Susanne Pöchacker von heute, habe ich mir Gedanken zu meinem Selbstverständnis gemacht.

Bin ich eine Lernbegleiterin, Trainerin oder Wissensvermittlerin? Letzte sicher nicht, da man Wissen nicht vermitteln kann (ich kann „nur“ Inhalte anbieten).

Um der Sache genauer auf die Spur zu kommen, habe ich mich gefragt, was ich denn tue?

Zunächst höre ich zu, was das Anliegen der Person oder Gruppe ist. Manchmal steht der Rahmen schon fest (z.B. Kommunikationstraining), manchmal ist die Zielfindung Teil des Weges (z.B. in manchen Coachings).

Dann durchforste ich meinen Erfahrungsschatz was wie dazu passen könnte, und stelle damit einen „(Lern-)Raum“ (Setting) zu Verfügung. Meistens habe ich schon etwas vorbereitet, was passen könnte, also Basismodule oder neudeutsch Nuggets.

Mein Fokus ist aber das Anliegen meines Gegenübers, nicht mein Erfahrungsschatz. Damit lasse ich mich auf einen zieloffenen Prozess ein, der nicht beliebig ist (ich bin ja nicht größenwahnsinnig, zu denken, ich könnte alles bedienen).

Ich kreiere also (Lern-)Räume, die möglichst passend und anregend für mein Gegenüber sind und kalibriere ständig nach, gemäß den Vorgaben und Reaktionen meines Kunden. Manchmal schmeiße ich meine Planungen über den Haufen und improvisiere – dann wird es richtig spannend für mich und – so habe ich es bisher wahrgenommen – für mein Gegenüber sehr effektiv.

In solchen Momenten bekommt der Kunde meine volle Aufmerksamkeit, mein Wissen und meine Offenheit, gemeinsam Neues entstehen zu lassen – das ist mein Selbstverständnis als Learning Professional.

Anke Schiffer-Chollet

Anke Schiffer-Chollet

7 thoughts on “Selbstverständnis als Learning Professional

  1. Gefällt mir liebe Anke – Zuhören und volle Aufmerksamkeit – und Angebote –
    pull statt push (vereinfacht in der “Produktions-sprache”)

    Wie kann man das sich aneignen?
    Ist und wird eine wichtige Kompetenz, statt vorgefertiger Konzepte,
    Eingehen auf Individualität – das ist Arbeit (und Lernen)

  2. Vielen Dank, lieber Alfred, für die Übersetzung in “Produktionssprache”!
    Wie man das sich aneignen kann, ist eine sehr spannende Frage, ich trainiere es immer wieder. Ich glaube entscheidend ist, die echte Überzeugung, dass mein Gegenüber weiß, was das Passende für sie oder ihn ist: ich stelle dann die Äußerungen, Anmerkungen oder auch nonverbalen Reaktionen über meine Annahmen, was für die Situation passend ist, und richte mein Handeln danach aus.

  3. Danke liebe Anke – da bin ich ja fast froh, dass unsere Session nicht stattfinden konnte. Dein Input gefällt mir und hat mich inspiriert, auch mal ganz anders drüber nachzudenken.

    Da bin ich auch auf Eines gestoßen, das wir leicht übersehen: Durch unsere Einzigartigkeit bieten wir anderen mit dieser vollen Aufmerksamkeit auch immer eine Reflexions- und Resonanzfläche. Es ist auch Deine Energie, die andere mobilisiert und es ist auch gleichzeitig die Energie der “Teilnehmer”, die Dich wiederum antreiben. Und ich denke, genau DAS – nämlich diese v.a. emotionale Resonanz und dieses gemeinsame “Entwickeln” – sind die wesentlichen Ingredienzien zu einem gelungenen Lernprozess, der – wenn er denn genau so gut läuft – fast gar nicht als Lernprozess erkennbar ist. (Das ist verkaufstechnisch für unsere Profession leider auch nicht hilfreich ;-))

    Das klingt zwar für viele “rosarot”, für manche esoterisch – dennoch bin ich überzeugt, dass genau darin die “Wirksamkeit” von Learning Professionals liegt.

  4. Lieber Herwig, ich stimme Dir voll und ganz zu! Wow, Du hast das sehr gut beschrieben, wie so ein gemeinsamer Resonanzraum entsteht. Ich finde das auch gar nicht “rosarot”, sondern sehr präzise von Dir formuliert. Wie wir so etwas nach außen verkaufen, steht auf einem ganz anderen Blatt!

  5. Liebe Anke, sehr schön vielen Dank!
    Dank auch an Herwig
    …ich meine SO IST ES. Vor einiger Zeit habe ich begonnen meine Teilnehmenden mit Mitgestalter anzusprechen. Ganz bewusst um eben diesem Raum und dieser gegenseitigen Verantwortung auch einen Namen zu geben. Wird Zeit, dass wir die Hierarchie aus der Schule, dem Lernen verbannen. Wir sind alle Lernende auf demselben Planeten.

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