Sozialem Lernen auf der Spur

Eine kleine Gruppe an Komplizen machte sich gestern auf die Spur des sozialen Lernens. Hier versuche ich unsere “Spurensuche” nachzuzeichnen – und bitte um Kommentare, Ergänzungen oder weitere sachdienliche Hinweise.

Was ist denn das Soziale am Lernen eigentlich?“, stand schon frühzeitig eine Frage im virtuellen Raum, die allerdings bis dato unbeantwortet blieb.

Jedoch rasch klären konnten wir, dass individuelles, auf den Einzelnen fokussiertes Training nur selten zum gewünschten Erfolg führt. Es ist immer die Gruppe, die Interesse, Neugier und Umsetzung fördert. “Wenn´s mein Kollege nicht macht, dann brauche ich es auch nicht zu tun.

Erstes zentrales Ermittlungsergebnis: In unserer Gesellschaft der Singularitäten, übersehen wir oft wesentliche Abhängigkeiten. Es gibt in unserer Gesellschaft nur wenige Beispiele für Team-Leistung oder Team-Lernen (also mir fällt grad keines ein.) – Erfolg haben immer Einzelne. Sei es eine bestandene Prüfung, ein abgeschlossenes Projekt, oder Führungsleistung ganz allgemein.

Soziales Lernen wird vielleicht immer öfter adressiert, aktuell aber nicht praktiziert. Dabei ist es doch so hilfreich. Wenn uns aktuelle Probleme geht, hilft uns der kleine Kaffeetratsch weiter oder auch der Austausch mit anderen Menschen mit hoher Kompetenz oder Reputation. Aber das als “Lernen” zu betrachten – das würde ja bedeuten, dass wir uns dann gegenseitig weiterbilden. Wem wäre denn der Lernerfolg dann zuzuschreiben?

Außerdem: Mitarbeiter sollen schließlich arbeiten, wenn es denn sein muss noch Lernen – aber bitte nicht quatschen. Informeller Austausch wird häufig als in-effizient und daher als “nicht-erlaubt” qualifiziert.

Und dennoch ist es so: die Zugehörigkeit zu einer Gruppe ist Lernmotivation No.1 – wenn man ein Thema verfolgt, kann man mitreden und wird gehört. Und wenn es nur die Fussballergebnisse sind. Das spornt an. Die Beschäftigung mit einem Thema ist dann ein Nährboden für alles was weiter folgt. Das informelle Gespräch ist eine sehr effiziente Lernform, auch wenn es nach klassischen Kriterien gar nicht so wirkt.

Also müssen wir wohl am “Mindset” unserer Kolleg:innen arbeiten: am Verständnis über Leistungsfeststellungen, über Lernen an sich und über den Wert echter Kollaboration. Doch halt, da wären wir fast in eine Fall getappt. Wir wollen schon wieder bei Einzelnen die Lösung suchen und damit den verkehrten Leistungsmaßstab und die Wissensenteignung weiterführen, nämlich dass andere darüber entscheiden, was andere denn ändern und erfahren sollten. Es ist doch überraschend, wie leicht man den alten Mythen auf den Leim geht.

Nein, die Lösung des Falles liegt sicher in der Organisation. Wir müssen Rahmen oder Systeme schaffen, in denen echter, vertrauensvoller Austausch nicht nur möglich, sondern erwünscht ist. Und wir werden aushalten (müssen), dass dies nicht von Beginn an, schon gar nicht auf den ersten Blick als effizient zu betrachten ist. Ja, und das kostet Geld und braucht Zeit und Freiraum. Das müssen Organisationen organisieren – dann klappts auch mit dem Sozialen Lernen.

Ob und wie das in Zukunft funktioniert, darüber konnten wir noch keine Einigkeit treffen. Die Pessimisten sehen zu viel Konkurrenzdenken in der Struktur klassischer Organisationen (“Es kann nur eine/r Chef werden!”). Die Optimisten sehen das Lernpotenzial und durch agilere Organisationsformen auch begünstigende Faktoren.

Die (ersten) Lernformate, die soziales Lernen auch heute schon möglich machen, gibt es schon, genauso wie die Unternehmen, die ersten Erfolge im Einsatz verzeichnen: WorkingOutLoud WOL, LearningOutLoud LOL, Communities of Practice CoP. Allen ist gemein, dass es zwischen sozialen Lern- auch Einzelphasen gibt – zur Vorbereitung und Reflexion.

Also kurzum: wir konnten in diesen 45 Minuten “Sozialem Lernen” nicht wirklich habhaft werden – zu breit waren unsere Ermittlungsansätze. Doch eines konnten wir gesichert festhalten: soziales Lernen liegt nicht bei Einzelnen, sondern im Sozialen. Das klingt nach Banalität, was es in der Praxis aber keineswegs ist.

Vielleicht reden wir bei aller Digitalisierung viel zu viel über neue Technologien in Bits und Bytes. Und wir sehen viel zu wenig die dazu nötigen sozialen Technologien. Und dazu zählt z.B. auch die Art und Weise, wie wir gemeinsame Vorhaben organisieren, strukturieren und bewerten.

Herwig Kummer

Herwig Kummer

Personalmanager ÖAMTC, Familienvater, Wiener, Hobbyfotograf, IT-affin, HR-Blogger (personaleum.at), Trainer, Coach, Lektor.

3 thoughts on “Sozialem Lernen auf der Spur

  1. Danke für deinen Impuls. Das klingt nach einer tollen Session.

    Um dem sozialen Lernen einen Raum zu geben und das soziale vor das digitale zu stellen, haben wir den Digital Buddy entwickelt. Dabei vernetzen wir zwei Buddys im Unternehmen zu einem spezifischen Thema. Das Thema wird von unserem ?-Buddy eingebracht und unser !-Buddy bringt das Wissen um das Thema mit.

    Wichtig ist uns immer die Kommunikation das der Austausch auf Augenhöhe und nicht in einem Ober und Untergeordneten Verhältnis wie im Mentoring geschieht.

    Durch die Vernetzung lernen alle Teilnehmer:innen neue Kontakte im Haus kennen und beschäftigen sich gleichzeitig mit Ihrem Thema das sie aus eigener Motivation lernen wollen und einer intrinsisch motivierten Wissensteilgeber:in.

    Der Raum in dem das Treffen stattfindet obliegt dem Tandem – Natürlich aktuell eher im digitalen Raum – aber gefühlt läuft der Impuls erst über die soziale Interaktion bevor es um die meist digitalen Themen geht.

  2. Lieber Herwig,
    ich finde auch, dass du das schön zusammengefasst hast. Ich möchte noch einen Aspekt aus der Gruppendynamik einwerfen, der tatsächlich folgenreich für Organisationen – im Sinne einer entsprechenden Organisation von sozialem Lernen – sein könnte:
    Es gibt Lernprozesse in Gruppen (und Teams) die lassen sich überhaupt erst auf der Ebene von Gruppen erfassen und reflektieren. Mit anderen Worten: diese sozialen Lernprozesse sind individuell gar nicht zugänglich, weil sie auf einer Prozessebene der Gruppen ablaufen.
    Die Antwort der Gruppendynamik darauf war die Etablierung von Feedback, also einer Reflexion in den entsprechenden Gruppen auf ihre Zusammenarbeit, auf ihr Lernen und schließlich auch auf die darin befindlichen Individuen. Die Gruppe hat hier aber den Vorrang – singulär (bzw. durch Singularitäten) lässt sich das, wie bereits gesagt, überhaupt nicht fassen – und schon gleich gar nicht lehren oder beibringen.
    Viele Grüße derweil

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